Der Fussballinvestor Martin Dellenbach wirbelt in Tschechien und Österreich (2024)

Martin Dellenbach wurde mit Autowaschanlagen reich. Im Fussball stieg er bei Lafnitz, Hartberg und beim Europacup-Stammgast Viktoria Pilsen ein – und will mit gut ausgebildeten Fussballern Geld verdienen.

Peter K. Wagner

7 min

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Der Fussballinvestor Martin Dellenbach wirbelt in Tschechien und Österreich (1)

Sitzen ein Schweizer und ein Niederländer in einem Container vor einem Fussballplatz. Sagt der Schweizer: «Wir haben jetzt alles, was wir brauchen, und ein in Europa fast einzigartiges Paket.» Sagt der Niederländer: «Wir wollen Unterschiedsspieler für die Champions League entwickeln.» Der Schweizer, das ist der Millionär Martin Dellenbach, reich geworden mit Autowaschanlagen. Und der Niederländer, das ist Percy van Lierop, der bei Red Bull Salzburg und Ajax Amsterdam leitende Positionen im Nachwuchs bekleidete.

Der zum Interviewraum umfunktionierte Container, in dem die beiden ihre Vision erklären, steht nicht vor einem grossen Stadion in Manchester oder Rom, sondern vor der Fussball-Arena Lafnitz.

Es ist Ende Juli, erste Runde in der zweithöchsten österreichischen Spielklasse. Vor etwas mehr als 500 Zuschauern hat der SV Lafnitz die Gäste aus Kapfenberg 3:0 besiegt. Doch Dellenbach, seit wenigen Wochen neuer Besitzer des Vereins, und van Lierop, frisch gekürter Sportdirektor des Klubs, brechen nicht in Jubelstürme aus. «Ergebnisse sind wichtig, aber wir arbeiten prozessorientiert. Die vielen jungen Spieler sollen dereinst nicht mehr für Lafnitz spielen», sagt van Lierop.

Von Lafnitz soll es zum Beispiel nach Pilsen gehen. Neben Lafnitz übernahm Dellenbach in den letzten Wochen auch den Europacup-Stammgast aus Tschechien. «Unser Konstrukt bringt jetzt schon Talente nach Lafnitz, die hier sonst nicht spielen würden», sagt Dellenbach. Etwa André Leipold, den Torschützen zum 1:0. Der 21-jährige Deutsche war im Nachwuchs von Bayern München und spielte für Darmstadt in der 2.Bundesliga. Auch er soll vom Paket profitieren, das da beinhaltet: vierte Liga Österreich, dritte Liga Tschechien, zweite Liga Österreich, erste Liga Österreich und erste Liga Tschechien.

Andre Leipold bringt uns mit einem Traumtor in Führung!🔥⚽️

SVL 1:0 KSV | 7‘ #SVLKSV #LigaZwa pic.twitter.com/zG1nAyZvwk

— SV Licht-Loidl Lafnitz (@svlafnitz) July 28, 2023

All das lässt sich mit den ersten und zweiten Mannschaften in Lafnitz, Hartberg und Pilsen abdecken. Dazu gibt es die von Dellenbach im vergangenen Sommer ins Leben gerufene Akademie in Hartberg und eine Akademie in Pilsen, wo die künftigen Leipolds bald selber produziert werden sollen.

Hartberg und Lafnitz sind mit elf Kilometern Entfernung quasi Nachbarn; die Provinzstadt Hartberg zählt immerhin 6700 Einwohner, Lafnitz ist mit seinen nicht einmal 1500 Seelen ein kleines Dorf. Der Fussballplatz ist umgeben von Ackerflächen, hier herrscht ländliche Idylle. Pilsen ist 450 Kilometer entfernt und etwa so gross wie Basel. Dazu später mehr.

Da merkte Dellenbach: So kompliziert kann der Fussball gar nicht sein

VIP-Bereich des FC Basel, irgendwann im Jahr 2019, während der Präsidentschaft des Medienunternehmers Bernhard Burgener. Der Klub hechelt nach Jahren voller Glanz und trotz Millionentransfers von Talenten wie Breel Embolo, Manuel Akanji oder Mohamed Salah dem neuen Ligakrösus Young Boys hinterher. Und einem Fan aus der VIP-Zone des St.-Jakob-Parks wird es zu bunt: Martin Dellenbach. «Ich habe so sehr reklamiert, dass meine Gäste meinten, ich solle doch etwas tun. Also habe ich die Mail-Adresse des Präsidenten gesucht.»

Zur Überraschung Dellenbachs meldet sich Burgener am nächsten Morgen bei ihm. Und zur Überraschung Burgeners ist Dellenbach nicht einer von den Kritikern mit dickem Geldbeutel, aber wenig konstruktiven Ideen.

Der Fussballinvestor Martin Dellenbach wirbelt in Tschechien und Österreich (2)

Der 1966 geborene Dellenbach stammt aus einer Unternehmerfamilie. Nach der Mechanikerlehre verbrachte er ein Jahrzehnt als Teamchef im Motorsport und wollte irgendwann wissen, wie der Fussball funktioniert. Viel Zeit hatte er nicht, immerhin war er gerade drauf und dran, Millionär zu werden. Also arbeitete er während zehn Jahren im Sommer für den Regionalverband im Raum Basel. Sein implementierter Selektionsprozess kam so gut an, dass dieser alsbald vom Schweizer Verband landesweit übernommen wurde. Da wusste Dellenbach: Der Fussball konnte gar nicht so kompliziert sein.

Auch Bernhard Burgener glaubt in seiner Amtszeit an Dellenbach. Er beauftragt ihn, ein Konzept für den FCB zu erstellen. Ein Jahr ehrenamtliche Analyse führt zu einem Buch, das Dellenbach mit einem Augenzwinkern «meine Bibel» nennt. Percy van Lierop, damals Nachwuchschef in Basel, war bei der Erstellung federführend beteiligt. Dellenbach wird später im FCB sogar Leiter Operations Nachwuchs. In drei Schritten will er den Verein umkrempeln – zuerst den Nachwuchs, dann die Profi-Abteilung und schliesslich die Geschäftsstelle.

Mit Burgeners Abgang endet auch Dellenbachs Zeit im FC Basel

Doch als Burgener aus dem Amt scheidet, endet bald auch die Zeit von Dellenbach und van Lierop. Was bleibt, sind die Verbundenheit des Schweizer Millionärs und des niederländischen Nachwuchsfachmanns. Sie haben eine klare Vorstellung, wie man Fussballer entwickeln kann.

Die Schlagworte dazu sind: Struktur, Durchgängigkeit, Daten – und der Fussball von Percy van Lierop. Martin Dellenbach sagt: «Ich habe bei Basel nach Percys Ankunft schnell erkannt, wie viel besser dank ihm innerhalb von nur zwölf Monaten gespielt wurde.» Es gebe klare Kriterien, nach denen Spieler verpflichtet würden. Auch menschliche Werte seien entscheidend; wenn man etwas per Handschlag abmache, gelte das. Doch das funktioniere kaum in einem Grossklub. «Weil es dort jeden Tag um viel geht, aber nicht um den Spieler», so van Lierop.

Erich Korherr ist Geschäftsführer und Obmann des TSV Hartberg und mit Dellenbach Geschäftsführer der Hartberg-Akademie. Er hat in einem Büro des Hartberger Stadions Platz genommen, draussen läuft gerade das Abschlusstraining des Klubs aus der obersten österreichischen Liga. «Wir freuen uns, wenn Spieler aus der Hartberg-Akademie bei uns Stammspieler werden. Im Idealfall aber schaffen sie den Sprung nach Pilsen oder zu einem anderen internationalen Klub», sagt Korherr.

Er betont, dass sein Klub weiterhin eigenständig sei – auch wenn Dellenbach mit seiner Delli-Group seit dem vergangenen Jahr 20 Prozent an der TSV Hartberg Spielbetriebs GmbH hält. Auf die Plattform österreichische Bundesliga hat Dellenbach also trotz Einstieg in den Klub wenig Einfluss.

In Lafnitz ist die Situation klarer – als Obmann hat Dellenbach die Zügel in der Hand. Der Aufstieg des Vereins war mit einem Namen verbunden: Bernhard Loidl. Der regionale Grossunternehmer war es, der Dellenbach den Einstieg in die 2.Liga Österreichs ermöglichte, weil er sich mit den Lafnitzern aus dem Profifussball zurückziehen wollte. Der alte Mäzen blieb dem Verein zwar als Präsident und Hauptsponsor erhalten, hält aber so viel Distanz, dass er Interviewanfragen freundlich dankend ablehnt.

Viel Bewegung in Lafnitz: 17 Spieler kommen, 15 gehen

Dafür spricht der Captain des SV Lafnitz über die neue Zeitrechnung im Verein. Andreas Zingl spielt seit 14 Jahren für den Klub und hatte auf dem Rasen massgeblichen Anteil am Durchmarsch von der sechsten Liga in die zweithöchste Spielklasse. «Natürlich war die neue Ausrichtung für uns als Mannschaft nicht einfach, aber Siege sind das beste Teambuilding», sagt er. 17 neue Spieler stiessen zum Verein, 15 zogen weiter. Als Führungsspieler soll Zingl den Talenten mit seiner Erfahrung bei der Entwicklung helfen.

Glaubt Zingl an Dellenbachs Vision? «Die Möglichkeiten für junge Spieler sind sehr gut. Es ist von Vorteil, wenn dich kein neuer Klub entdecken muss. Das Projekt wird man erst später bewerten können, schliesslich ist es langfristig angelegt.»

Unsere Nummer 1️⃣ Andreas Zingl wurde gestern zum Tormann der Saison gekührt!👑

Andi Zingl: „Diese Auszeichnung ist eine Riesenehre für mich!
Ich möchte mich bei allen Präsidenten, Managern und Trainern bedanken, die für mich abgestimmt haben.

Herzliche Gratulation!💛💙 pic.twitter.com/cbQwE1xMWJ

— SV Licht-Loidl Lafnitz (@svlafnitz) May 23, 2021

Der Österreicher Raphael Landthaler, der ehemalige Finanzchef von Rapid Wien, dem mitgliederstärksten Klub Österreichs, stieg gemeinsam mit Dellenbach bei Viktoria Pilsen ein. Die beiden standen schon im Austausch, als Dellenbach vor zwei Jahren 80 Kilometer weiter nordöstlich in der österreichischen Stadt Mattersburg sein Konzept durchziehen wollte. Im Frühling dieses Jahres begegneten sich die beiden zufällig auf einem Flug von Zürich nach Wien. «Damals war ich gerade dabei, mit Investoren in Pilsen einzusteigen. Dellenbach war von der Idee sofort angetan», erzählt Landthaler.

«Eigentlich kam Pilsen zu früh – so kurz nach der Übernahme des SV Lafnitz», sagt Dellenbach. «Aber ich musste zugreifen. Pilsen war genau das, was mir noch fehlte.» Die viertgrösste Stadt Tschechiens sei mit dem Auto gerade noch von Hartberg und Lafnitz aus zu erreichen. Es gebe zwar kulturelle und sprachliche Herausforderungen, doch vom Anspruch her handle es sich um einen Champions-League-Klub. «In meinem Konstrukt kann ein Spieler damit alle sechs Monate sagen: ‹Ich bin bereit für den nächsten Schritt›», sagt Dellenbach.

In Tschechien wird den Investoren ohne Skepsis begegnet

Viermal spielte Pilsen in den vergangenen zwölf Jahren in der Königsklasse – zuletzt in der vergangenen Saison. Der Höhenflug begann Anfang der 2010er Jahre, nachdem der Unternehmer Tomas Paclik den Klub übernommen hatte; just zum 100-Jahr-Jubiläum gewann der Verein 2011 den ersten Meistertitel. Fünf weitere sollten folgen. Neben Sparta und Slavia Prag ist Viktoria Pilsen der grösste Fussballverein Tschechiens. Unter Einbezug aller Ligaspiele des letzten Jahrzehnts ist Pilsen vor den beiden Hauptstadtklubs sogar die Nummer eins Tschechiens. Anders als in Österreich schlägt den ausländischen Investoren keine Skepsis entgegen. «Wir wurden ausnahmslos positiv aufgenommen», sagt Raphael Landthaler.

Überschäumende Freude: 2011 gewinnt Viktoria Pilsen den ersten Meistertitel.

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Dass der Österreicher mit dem Schweizer Millionär gemeinsame Sache machen wollte, hat gute Gründe. «Seine Erfahrung im Motorsport, wo jede Hundertstelsekunde an Potenzial analysiert wird, und sein Ansatz, dass Daten viel zu wenig eingesetzt werden, haben mir gefallen», sagt Landthaler. Auch er hat Zahlen parat: «Es gibt Analysen, die zeigen, dass der Übergang vom Jugend- zum Profifussball entscheidend ist für eine erfolgreiche Karriere. Mit Dellenbachs Klubs können Spielern zwischen 18 und 20 Jahren 130000 Spielminuten pro Saison angeboten werden.»

Das Liga-Auftaktspiel gegen Kapfenberg verfolgt Dellenbach inmitten der Zuschauer vor der Kantine. Seine Erdung zeigt auch sein Schlafplatz, wenn er in der Oststeiermark ist: Er übernachtet im Internat seiner Hartberger Akademie. Der Porsche mit Basler Kennzeichen vor dem Lafnitzer Sportplatz ist trotzdem seiner – Geschäftsmann ist er geblieben.

Bei der Frage nach der Höhe des Investments lächelt Dellenbach freundlich, es sei überschaubar gewesen für das, was jetzt möglich sei. Und dass er irgendwann Geld verdienen wolle, stellt er ebenfalls klar, nicht mit Ticketeinnahmen in Lafnitz, sondern mit gut ausgebildeten Fussballern.

Sitzen ein Schweizer und ein Niederländer noch immer in einem Container. Sagt der Schweizer: «Wir haben die Struktur für die nächsten 15 oder 20 Jahre. Nun brauchen wir Zeit.» Aber wann soll der erste Spieler den Sprung zu Pilsen schaffen? Sagt der Niederländer: «Wenn er so weit ist.»

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